Da Olli sich am 14.03.2004 beim Spiel gegen Auerbach vom Zaunjob verabschiedete, haben wir eine kleine Olli Seite zusammengestellt, denn wie wir finden ist er ein Teil des 1.FC Magdeburg!

Olli der Zaungott von Magdeburg (aus Volksstimme 01.06.2002)


Seit 6 Jahren dirigiert Oliver Koil (26) die Sprechchöre der FCM-Fans. Damals stieg er zum ersten mal auf den Absperrzaun im EGS. Für sein Leben in Blau-Weiß riskiert der junge Mann alles: seine Gesundheit, seine Beziehungen, seinen Job. Dafür nennen sie ihn “Zaungott”.

Anpfiff. Der Stuhl am Zaun ist längst besetzt.Vom Zaungott. Sein Blick schweift über den Rasen- nur müdes gekicke. Plötzlich Lattenknaller, Blau Weiß unter Druck. Also los! Seine Arme schwingen wie Flügel. Die Finger zu Fäusten geballt, wie sein Gesicht. Und was da zeitgleich aus seiner Kehle kommt, ist nicht sehr viel, höchstens 2,3 Silben: ein rausgeprestes “ÄÄF, ZEEH, MAA...”der Zaungott töhnt kurz an, die Fans holen ein und brüllen MAAGDEEBUURG-Du bist niemals alleine!” zu ende.

Der junge Mann und das Stadion. Vom ihm dirigiert. Weit über 90 Min. hinaus. Wo der Zaungott erscheint ist: Fußball, Spaß, Gewalt und Alkohol. Bis Montag. Dann werden ihm wieder andere Dinge wichtig: Daisy und Spike, Claudia Jung, Würmer in Zeitungspapier, Steinpilze, seine EX und die Plötzen in der Badewanne. Achja, und die Arbeit.

Oliver Koil, 26, ist der Stimmungsmacher im Fanblock des 1.FC MAGDEBURG. Vor 6Jahren wankte er zum ersten mal runter zum Rang, hin zum Absperrzaun, erklomm die Drahtspitze und stand dort oben wie ein Blitzableiter, der seine gesamte Energie an die Fans abgab. Damals standen knapp 100Leute in der Kurve. Oliver peitschte die Fans in einen Rausch, der noch größer war als sein Bierseeliger Zustand.

Seit der Saison 1995/96 ging ohne ihn gar nichts mehr. Heute dirigiert Olli etwas 1000singende Fans von einem gesponsorten Tennisschiedsrichterstuhl aus, wird von den Fans “Zaungott” gerufen und gibt Autogramme. Wer das Leben im Stadion kennt, weiß, dass man einen solchen Status nicht geschenkt bekommt. So etwas muß hart erarbeitet werden. Und Olli hat geschuftet: eine zerfetzte Nase, Interviews, Alkoholorgien, Lob vom Ministerpräsidenten, Schlägereien und 5000€ jährlich- alles für ein Leben in Blau-Weiß.

Bei Koile begann alles Anfang 1982. Damals zog er mit seiner Familie von Kelbra nach MD. Sein Stiefvater nahm den 6jährigen Knirps zum ersten mal mit ins EGS. “Die vielen Emotionen und die Stimmung im Fanblock haben mich beeindruckt, sagt er. Bei jeden Tor gab es eine wahre Sturmflut: die Fans brandeten durch die Ränge und Olli lies sich wie ein Treibholz mitreißen. Der 1.FCM erkämpfte sich damals den FDGB-Pokal und ein 6jähriger hatte die erste große Liebe seines Lebens gefunden. In der 1.Klasse hatte Oliver Probleme beim betonen von: G und K, B und P. Mußte Stundenlang die korrekte Aussprache üben. Blieb deshalb Aussenseiter. Bis zur ersten Sportstunde. Laut Stundenplan: Fußball. Damals dribbelte er den Sportlehrer an die Wand. Schoß sich mit jedem Tor ein bisschen tiefer in die Herzen seiner Mitschüler. Bei der BSG Post Magdeburg wurde er bester Nachwuchslibero. Und in der Schule glänzte er mit guten Noten

Dann die seelische Bruchlandung, kurz nach dem Mauerfall: Familie Koil zieht nach Braunschweig. Oli heult Rotz und Wasser. Gleich am ersten Tag in der Schule wird er verprügelt.Nicht zum letzten mal. Doch Oli schlägt sich durch. Jedes Wochenende bis MD. Mit dem Zug. Zum FCM. Bezahl alles mit dem geklauten Geld seiner Eltern.

Nach der 10.Klasse schmeißt er alles hin , geht ab- obwohl die Noten locker fürs Gymi gereicht hätten. “Ich wollte endlich Geld verdienen. mein Kumpel war Werkzeugmacher, er hat mir viel von seinem Job erzähl, es klang auf jeden Fall besser als Schule”, sagt er. 1992 wird er Azubi bei VW in Braunschweig. Seinen Zivildienst leitete er 1998 im MD. Beim FCM. Wo sonst. Nach kurzer Arbeitslosigkeit arbeitet er seit Mai 2000 in der Magdeburger Rege Motorenteile GmbH. Schichtdienst.

“Arbeit ist Olli nicht wichtig. Sie wird es erst, wenn sie nicht mehr da ist. Ohne sie fällt er in ein tiefes Loch”, sagt Ollis bester Freund Rene. Arbeitslosigkeit kratzt an seinem Charakter. Durchdreher vorprogrammiert. Olli steht oft vor dem Abgrund: Als die Insolvenz des FCM droht, lässt er sich krank schreiben. Spendet 500DM. organisiert Sammlungen. Drängelt sich in den Landtag und bekommt von Ministerpräsident Höppner einen Scheck. ZDF und MDR übertragen die Anschließende Pressekonferenz. Unter der Überschrift:”Zaungott Oliver Koil: "Mir standen oft die Tränen in den Augen!” Erscheint sein Gesicht in der Zeitung. Ollis Aktion “Zur finanziellen Unterstützung des 1.FCM, die wohl Deutschlandweit einmalig ist”, wird in der Volksstimme gefeiert.

Auch seinem Chef bei Rege schiessen Tränen in die Augen. Tränen der Wut: “Als ich Oliver im Fernsehen sah war ich sehr enttäuscht. Für krank feiern habe ich kein Verständnis, grade hier im Osten, wo die Arbeitslage schwierig ist”, sagt Peter Knoche. Der Zaungott im Glück, er darf bleiben. Bei VW hat man damals nicht so lange gefackelt.

Oliver Koil, der Mann mit den 2 Gesichtern. einerseits war er bester Azubi bei VW, durfte seine Lehre ein halbes Jahr früher beenden, Festanstellung. Andererseits: nach 2 Jahren die Kündigung, weil er sich häufig krank meldete- immer dann wenn der Club spielte. Und die A-Jugend des FCM, Und die B-Jugend. Und die alten Herren. Er bekamm das Angebot für den BSG Braunschweig in der Verbandsliga zu spielen, flog aber gleich aus dem Team, weil er bei den Spielen und dem Training fehlte-immer dann wenn der 1.FCM kickte. Und die A-Jugend, die B-Jugend, die alten Herren.” Mit Olli hat es gut angefangen “, sagt sein Vater Rainer Michalek, “Er hatte alle Chancen im Beruf, wie im Sport, doch er wurde ein Mensch mit 2Persönlichkeiten. Olli ist ein ruhiger, wunderbarer Kerl. Aber auch unberechenbar, vor allem wenn er getrunken hat.”

FCM gegen Lübeck. Am Stadioneingang drängeln die Fans.”Du Säufer!”, gröhlt Olli in die Masse. Und bekommt ein mildes Lächeln zurück. Der Stdionsprecher hat gerade den 51. Geburtstag von Fußballegende Joachim Streich bekannt gegeben. Oliver selbst hat keine Alkoholprobleme- an Werktagen. “Was Olli da oben auf dem Zaun macht, finde ich super”, sag FCM-Vizepräsi. Andreas Müller, “Aber vielleicht sollte er mal ein Bierchen weniger trinken.”oder 20. Denn ein Heimspiel beginnt für Olli gewöhnlich 2 Std. vor Anpfiff im Heumarkt-Cafe. Oder im Casino. Mit 15 Bier. Nach dem Spiel sind nochmal 15 Bier fällig. “Manchmal ist er vor oder während des Spiels schon so besoffen, dass er mich am nächsten Tag nach dem Spielstand fragt”, klagt sein Vater. Olli kennt das Problem. Nur hat er einen anderen Fokus: “Beim Fußball sind sehr viele Leute mit Alkoholproblemen. Es ist das billigste Rauschmittel, um der Wirklichkeit zu entfliehen”, sagt er nüchtern, wie ein Drogenfahnder, der selbst an der Nadel hängt.

“Ollis Droge ist der Fussball”, stellt sein Freund Rene fest. Nebenwirkungen: Aussetzer und Ausraster. Wie ein Teenager will auch Olli die Ehre seiner ersten großen Liebe immer und überall verteidigen. Bei jeder Schlägerei riskiert er seine Gesundheit. Deshalb muß seine Liebe zum Club auch größer sein, als bei jedem friedlichen Fan. Da gibt es für Olli keinen Zweifel. Mit 18 Jahren ist er Anführer eines Mobs, der sich in Aschersleben Straßenschlachten mit der Polizei liefert. Strafe: insg. 4Jahre auf Bewährung. Mit 19 beißt ihm ein Typ von der Antifa die linke Nasenhälfte aus dem Gesicht, weil er das gegnerische Team nach Ausschwitzt wünscht. Vor einem Jahr zerfetzten Eisenstangen seinen Hinterkopf weil er in Halle sein Dosenbier in eine Kneipe mitnehmen will.

In solchen Momenten überschwemmt Adrenalin Ollis Gehirn und ertränkt jeden Gedanken. “Sieht man das weiße in seinen Augen muß man Abstand halten, das gilt auch für mich”, warnt sein Vater. Doch Familie und Freunde sind Olli heilig. Denn jeder, der ihm nahesteht mußte ihn irgendwann mal aus dem Knast holen. Mit Rene fährt er vom Revier Magdeburg mitte gleich zur Randale nach BS weiter. Vater Rainer holt ihn aus Chemnitz, Olli schwört Reue, sitzt aber eine Woche später wieder hinter Gittern. Und EX-Freundin Cathleen Fischer ärgert sich nach jedem gang zur Polizei: “hätte ich ihn nur diesmal drinne gelassen!” Zwischendurch filmen Kamerateams von DSF und ZDF die kleine Berühmtheit, wie sie Olli in ihren Reportagen nennen. Und während man sieht, wie der Zaungott ausrastet heißt es im OFF: “Aufschwung Ost- Made in Magdeburg.”

Ollis blau-weißes Leben bekommt Zwischenfarben. “Seine Prioritäten beginnen sich zu ändern”, glaubt Rene. Als Koile 20 war, stieg er auf den Zaun, um den alten Fans zu imponieren. Fans, die den FCM noch als FDGB-Pokalsieger erlebten. “Kennst du Bockwurst, den Typen, der schon zu DDR-Zeiten immer beim Club war? Er grüßt mich, ab und zu quatschen wir auch!” Ollis Augen leuchten. Er kennt die alten. Alle. Ist jetzt selber einer. Und die Fans fordern ihn. Seit 6Jahren.

Nur ein Pflichtspiel hat er seit dem verpasst, 5000€ jährlich für Auswärtsspiele und Eintrittskarten kostet ihn der Zaungott-Job. Ohne Olli aber keine Stimmung. Nachfolger werden nicht agzeptiert.Doch der Job am Zaun hat sich verändert, ist irgendwie ausgelutscht. nicht mehr spontan. Fast wie Pflicht. Dazu unangenehmes: “Jeder quatscht ihn an. In der Stadt, am Badesee, beim Einkaufen, im Stadion, Überall. Öffter auch dumme Kommentare, von wildfremden Leuten, das nervt, irgendwann”, berichtet die EX-Freundin Cathleen. Doch Olli redet mit jedem. Er braucht die Fans so sehr, wie er fühlt, dass die Fans ihn brauchen.

Am Montag aber werden Olli andere Dinge wichtig: sein Katzen Dassy und Spike. Schlagerstar Claudia Jung, die er so gerne hört. Wichtig sind ihm die Würmer in Zeitungspapier auf seinem Balkon, weil sie ihm Laden 2,50€ kosten, 10 Stück. “Viel zu teuer wenn man jeden Tag angeln geht”, sagt er. Wichtig sind ihm auch die Köderfische in der Badewanne. Und der Wald, indem er stundenlang Pilze sammelt. Noch wichtiger ist ihm seine EX-Freundin. Die will er zurück. Weil sie ihm Kraft gab, ein Zaungott zu sein.

“Ansonsten, alles okay”, sagt Oliver, “ich habe nur Angst, meine Arbeit wieder zu verliehren.” Sein Blick geht ins Leere, die Mundwinkel hängen. Die Stirn in Falten. Schweigen. Nicht noch einmal in das tiefe Loch fallen, nie wieder durchdrehen, erzählt das Gesicht.

Seit 28.Mai ist Oliver Koil Arbeitslos. 
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