DFL plant Schlag gegen Fankultur

In der vergangenen Woche ist ein internes Papier der Deutschen Fußball-Liga (DFL) aufgetaucht. Diesem sollen die Vereine im Dezember 2012 zustimmen. Es geht um Stadionverbote für Spruchbänder, Kollektivstrafen für ganze Fanclubs und -kurven und um einen ominösen Verhaltenskodex.

Ein Raunen ging in der vergangenen Woche quer durch alle Fanszenen in Deutschland. Der DFL-Sicherheitsgipfel vom Juli 2012 war gerade etwas in den Hintergrund getreten, da wurde ein internes Papier mit dem Titel „Sicheres Stadionerlebnis“ bekannt. Das Dokument ist in sechs Handlungsfelder unterteilt, der Kern betrifft jedoch einen Verhaltenskodex, dem sich die Fans unterwerfen sollen.

Der Verhaltenskodex

Dazu heißt es in dem Papier:

„Die Clubs sind gehalten, Vereinbarungen/Chartas mit Fanorganisationen, Fanclubs etc. abzuschließen. Eine solche Vereinbarung muss mindestens folgende Inhalte haben (beidseitig): Bekenntnis zu Gewaltfreiheit / Gewaltverzicht, Anerkennung der geltenden Vorschriften (...) u.a. im Hinblick auf das Verbot von pyrotechnischen Gegenständen, Bekenntnis gegen Diskriminierung und Rassismus.“

Der Erhalt der Stehplätze soll hingegen nur als Kann-Option, also nicht zwingend, in dem Verhaltenskodex erscheinen:

„Gemeinschaftliches (Club + Fanorganisation) Bekenntnis zu Stehplätzen als Teil der Fußballkultur in Deutschland. Dies ist aber kein „unveränderbarer Besitzstand.“

Natürlich stellt sich die Frage, was bei einer Missachtung dieser Regelungen passieren würde, auch hier hat die DFL schon eine Antwort parat:

„In der Fanvereinbarung soll zudem geregelt sein, dass etwaige vorhandene Fan-Privilegien nicht länger gewährt werden, sollten Inhalte der Fanvereinbarung nicht eingehalten werden.“

„(...) keine Eintrittskarten mehr an Fanclubs zu vergeben, welche nicht bereit sind, eine Fanvereinbarung mit den genannten Mindestinhalten (Gewaltfreiheit, Anerkennung Stadionordnung etc.) abzuschließen, oder welche diese Mindestinhalte nach Abschluss der Fanvereinbarung nicht beachten; oder z.B. den Fanclubs das Mitführen von „Blockfahnen“ und Bannern zu verbieten, wenn diese zur Verschleierung der Täterschaft bei Einsatz von Pyrotechnik bzw. überhaupt zur Ermöglichung von Pyrotechnik missbraucht werden.“

Und einen gibt’s noch oben drauf:

„Verhängung von Geldstrafen und i.d.R. Stadionverboten bei gravierenden Verstößen gegen die geltenden Regelungen der Stadionordnung, z.B. bei Abbrennen von Pyrotechnik und ggü. Pyrotechnik-Schmugglern, Einbringen und Zeigen von Transparenten mit rassistischen, diskriminierenden oder grob beleidigenden Inhalten („Zero tolerance“).“

Bedeutet im Klartext: Jeder Verein muss mit seinen Fanclubs eine Vereinbarung, oder sagen wir einen Kodex, schließen, auf den sich die Anhänger verpflichten müssen. Wer nicht unterschreibt, bekommt keine Tickets mehr und/oder sonstige Sanktionen zu spüren. Gewalt wird dabei in einen Topf geworfen mit Pyrotechnik, Rassismus mit verbandskritischen Spruchbändern. Die Kernfrage ist doch, warum in einem funktionierenden Rechtsstaat wie der Bundesrepublik Deutschland so ein Kodex überhaupt aufgestellt werden soll? Wenn gegen Gesetze verstoßen wird, dann ist in einem Rechtsstaat die Polizei verantwortlich, die Täter ausfindig zu machen und die Richter und Staatsanwälte sind verantwortlich, über Schuld oder Unschuld zu befinden.

Dieses Rechtsstaatsprinzip wird von der DFL komplett ausgehebelt. Der Fußballverband bestimmt was geht und was nicht geht, fordert im weiteren Verlauf des internen Dokuments von Polizei und Justiz gar Auskünfte über laufende Ermittlungsverfahren. Klingt unglaublich? Nicht in der Welt der Fußballfunktionäre.

Wo führt das hin? Spruchbänder wie „Hepp du Dopp“ könnten in Zukunft reichen, um die nächsten Jahre vor den Stadiontoren zu verbringen. Alles, was nicht der Vermarktungsstrategie der DFL entspricht, soll systematisch aus den Stadien verschwinden. Der nächste Schritt wird sein, die Gesänge einzuschränken. Dabei geht es nicht darum, irgendwelche rassistischen oder dummen Gesänge zu schützen, die der gesunde Menschenverstand auch ohne Verhaltenskodex verbietet.. Aber sind wir mal ehrlich: Wenn ich als Fan nur noch Friede-Freude-Eierkuchen-Lieder singen soll, wenn ich nach einer Fehlentscheidung des Schiedsrichters nicht mehr meinen Unmut äußern kann oder wenn ein Michael Thurk vor die Kurve gerannt kommt ordentlich Beifall klatschen soll, dann ist das Maß voll.

Und damit nicht genug. Ihr seid bei einem Fanclub Mitglied? Hängt eure Zaunfahne manchmal bei Spielen? Ihr habt nichts mit Pyrotechnik zu tun? Wenn irgendein Zuschauer meint, hinter eurer Zaunfahne ein Bengalo anzünden zu müssen, dann ist es vorbei für euren Fanclub. Keine Karten, kein Fahne mehr im Stadion. Dafür müsst ihr nichts gemacht haben. Unschuldsvermutung oder Nachweis von Fehlverhalten? Nicht bei der DFL! Was schon heute bei der Vergabe von Stadionverboten nach dem Gießkannenprinzip gilt, soll allem Anschein nach in Zukunft noch ausgeweitet werden.

Was dem Fass aber den Boden ausschlägt, ist der Absatz, in dem es um die Stehplätze geht. Der Erhalt der Stehplätze wird von dem Verhalten einzelner Menschen abhängig gemacht und als Druckmittel auf die Fans verwendet. Das ist nicht akzeptabel und spricht gegen jedes Maß an Rechtsstaatlichkeit und Moral. Wenn auf dem Münchner Oktoberfest Menschen mit Bierkrügen werfen, dann gibt es nächstes Jahr auch nicht nur Mineralwasser oder Plastikbecher. Hier gilt noch, dass die Täter bestraft werden und nicht alle Besucher des Oktoberfestes. Warum sollte das in Fußballstadien anders sein?

So schlimm wird’s schon nicht kommen

Man könnte ja meinen, dass das alles nicht so schlimm kommt. Allerdings sollen diese Regelungen zukünftig bei der Lizenzierung der Vereine geprüft werden und dann gegebenenfalls Sanktionen verhängt werden. Es wird also überall durchgesetzt werden müssen.

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